Yucatan: Eine Halbinsel mit vielen Perlen

November 2021

 

Zum Glück haben uns die neuliche Berichterstattung über Schiessereien zwischen Narco-Banden in Yucatan und die Bedenken wegen der Covid-Situation in Mexiko nicht von der Reise abgehalten. Das haben wir uns in den letzten Tagen öfters gesagt. Wir hätten wunderbare Erfahrungen, Erlebnisse und Begegnungen verpasst. Nie auch nur der Anflug einer problematischen Situation. Im Gegenteil. Nicht einmal in Italien, das für die strikte Umsetzung der Covid-Schutzmassnahmen bekannt ist, befolgt die Bevölkerung die Vorgaben so konsequent wie die Bewohnerinnen und Bewohner der Halbinsel Yucatan. Schutzmasken werden nicht nur drinnen, sondern stets auch draussen getragen. Händler besprühen gar entgegengenommene Geldscheine zur Desinfektion. Lediglich ein paar Touristen meinen, es besser zu wissen und sich nicht an die Schutzmassnahmen halten zu müssen.

 

Auch Claudia und Roger gilt es an dieser Stelle ein Kränzchen zu winden. Sie haben uns nach Cancun zu einem Fest eingeladen und uns so sozusagen die Türe zu unserer Reise durch Yucatan geöffnet. Ihre herzliche mexikanisch-schweizerische Gastfreundschaft und ihr Fest (selbstverständlich mit Mariacis und Salsa 😊)haben wir sehr genossen!

Spitzenreiter sind aus unserer Sicht die Maya-Ruinenstädte, die ein eindrückliches Zeugnis darüber abliefern, welche Hochkulturen einst Yucatan beherrscht haben. In Chichén Itzà findet man die «Kukulkan-Pyramide», eines der sieben neuen Weltwunder. Sie ist eine Art 3D-Jahreskalender. Die Treppen auf jeder ihrer vier Seiten bestehen aus 91 Stufen. Zusammen mit der obersten Plattform symbolisieren sie die 365 Tage, die auch dem Maya-Kalender zufolge ein Jahr ausmachten. Die «Gruppe der tausend Säulen» und eindrückliche, in Stein gehauene Reliefs bilden weitere Höhepunkte von Chichén Itzà. Die Anlage ist (verständlicherweise) ein Touristenmagnet. Man muss daher früh vor Ort sein, um noch einen freien Blick auf die Monumente erhaschen zu können. Bedeutend ruhiger geht es in den beiden anderen Ruinenstädten zu, die wir besucht haben. In Edzna können die meisten Bauten nach wie vor bestiegen werden (was in Chichén Itzà nicht mehr der Fall ist) – daher die erhöhte Perspektive für die Foto der Tempelanlage. Edzna zeichnet sich auch durch die beiden Stuko-Masken einer Maya-Sonnengottheit aus. Werke aus diesem brüchigen Material sind nur wenige erhalten. In Uxmal imponiert die riesige «Pyramide des Zauberers». Beeindruckend, wenn man sie zum ersten Mal sieht, aus dem Regenwald hervorragen oder auch, wenn sie sich im Gegenlicht der Nachmittagssonne präsentiert. Alle drei Anlagen verfügen über einen sogenannten «Ballspielplatz». Der Überlieferung zufolge spielten zwei Mannschaften gegeneinander, die versuchten einen ca. 3 kg schweren Kautschukball durch den Steinring an der Wand zu befördern. Erlaubt war der Einsatz aller Körperteile, ausser der Armen und der Hände. Die technischen Fähigkeiten der Lateinamerikaner im Fussball überraschen vor diesem Hintergrund nun wahrlich nicht mehr!

Ein wunderbarer Ort in Yucatan ist auch die Biosfera Ria Celestun. Ein Lagunen-/Mangrovengebiet und Brut- und Lebensstätte für viele Vögel. Die Flamingos lassen sich kurz von ihrem Krebschenpicken ablenken und vollführen ein Ballett. Die Reiher halten Ausschau nach Fischen, sei dies in der Lagune oder zwischen den Mangroven. Hier treffen wir auch auf einen gut getarnten Alligator, der aber glücklicherweise an uns und unserem Boot nicht allzu sehr interessiert ist.

Viele farbenfrohe Städte und Dörfer laden zum Verweilen ein. Besonders malerisch ist Izamal – die gelbe Stadt. In unterschiedlichen Farbtönen ist die Altstadt von Campeche gehalten. Mérida war einst das Zentrum des Sisalanbaus. Die Sisalagaven wurden das grüne Gold genannt. Die Haciendas rund um die Stadt sorgten praktisch für den gesamten Weltbedarf der Fasern, die aus den Pflanzen gewonnen wurden und die dann, vor allem, zu Seilen verarbeitet wurden. Sie brachten der Stadt grossen Reichtum, der dauerte bis das Sisal durch künstliche Materialien wie Nylon ersetzt wurde. Viele Dörfer haben in ihrer Geschichte weder vom Tourismus, noch vom Sisal oder sonst irgendeinem Boom profitiert. Ihre Bewohnerinnen und Bewohner leben ein bescheidenes Leben, was sich schon an der Küche des Dorfrestaurants zeigt.

Was hat Yucatan sonst zu bieten? Eine Unzahl schöner Strände, die zum Baden, Tauchen und Schnorcheln einladen. Wie wenn sie uns warnen wollten, dabei aber auch Vorsicht walten zu lassen, präsentieren uns die Fischer von Seybaplaya den weissen Hai, den sie soeben gefangen haben. Ganz besonders beeindruckt haben uns aber die Bewohnerinnen und Bewohner Yucatans. Ihre Herzlichkeit, Zuvorkommenheit und Gelassenheit haben uns das Reisen leicht gemacht. Und manchmal haben sie uns auch zum Schmunzeln gebracht. Etwa an der Mautstelle in Seybaplaya: Offenbar als erstes Auto seit langer Zeit wollen wir hier die Autobahn nehmen, die südwärts in Richtung des Bundesstaates Tabasco führt. Die Mautstelle ist unbesetzt, die Barriere geschlossen. Wir überlegen hin und her, was unter diesen Umständen zu tun ist. Endlich, nach etlichen Minuten unentschlossenen Wartens vor der Barriere, nehmen wir eine Person wahr, die sich gemächlich auf uns zu bewegt. Die Dame betritt das Kassenhäuschen und verlangt von uns die Maut. Wer gedacht hätte, dass sich jetzt die Barriere heben würde, sah sich getäuscht. Die Dame ordnet zuerst das eingenommene Geld, verlässt dann das Kassenhäuschen und bewegt sich gemessenen Schrittes auf die Barriere zu. Diese hebt sie nun von Hand hebt. Endlich dürfen wir passieren. Nur nichts überstürzen, haben wir als klare «Message» mitgenommen. Ein anderes Mal auf dem Weg nach Uxmal: Wir fahren Kilometer um Kilometer durch den Regenwald. Die Strasse wird immer enger und unbefahrbarer. Langsam wird klar, unser Navigationsgerät hat uns in die Irre geführt. Wir versuchen es dennoch, bis unvermittelt eine junge, attraktive Mexikanerin vor uns auf dem Feldweg steht. Wir trauen unseren Augen nicht. Hier mitten im Wald eine stylisch geschminkte, mit Sportshosen und einem eleganten, knappen Trägerleibchen bekleidete Schönheit? Um sie herum stehen Stangen und Instrumente. Sind wir hier auf einem Filmset gelandet? Als wir mit ihr ins Gespräch kommen, löst sich das Rätsel. Sie ist Vermessungsingenieurin und damit beauftragt, Vorarbeiten für den Neubau der Strasse auszuführen. Eine drückende Luftfeuchtigkeit, Mücken, Ungeziefer, Schlamm und Dreck im Regenwald sollen einem nicht davon abhalten, Haltung und Stil zu bewahren. Das haben wir auf dem Weg nach Uxmal gelernt 😊! Salud!