… zu einem Ausdruck florentinischer Kultur und Tradition und damit zu einem Aushängeschild der Stadt ähnlich wie der Palio in Siena.
Wie beim Palio kämpfen auch beim Calcio Storico einzelne Stadtteile gegeneinander. An der jedes Jahr an zwei Wochenenden im Juni stattfindenden Meisterschaft nehmen vier Mannschaften teil.
· Die «Azzuri» aus dem Stadtteil Santa Croce (rund um die Kirche «Santa Croce»):
· Die «Bianchi» von der Südseite des Arno, aus dem Quartier «Santo Spirito»;
· Die «Rossi» aus «Santa Maria Novella », aus dem Gebiet des Hauptbahnhofs;
· Die «Verdi» aus dem Stadtteil «San Giovanni», im Nordosten von Florenz.
Seine Wurzeln hat der Calcio Storico im «Harpastum», einem Ballspiel zu römischer Zeit … und in der Tat entsteht auch heute noch der Eindruck, es bekämpften sich römische Gladiatoren auf dem Platz. So richtig lanciert wurde der Calcio Storico 1530: Die Republik Florenz wurde in dieser Zeit durch die Truppen von Kaiser Karl V. belagert. Mit der Organisation der Spiele wollten die Bürger von Florenz demonstrieren, wie gleichgültig ihnen die Belagerer ausserhalb der Stadtmauern waren. Ab Mitte des 18. Jahrhunderts geriet der Calcio Storico dann für zwei Jahrhunderte zwar etwas in Vergessenheit. Offensichtlich lebte er in den Genen der Florentiner aber weiter. Denn als 1930 die Idee zur Wiederaufnahme von Wettkämpfen laut wurde, war sofort eine grosse – bis heute anhaltende – Begeisterung vorhanden!
Ziel der Mannschaften ist es, möglichst viele Punkte zu erobern, indem der Ball – mit Hand oder Fuss – an die rote Bande an der Stirnseite in der gegnerischen Hälfte des Spielfeldes gespielt wird. Fliegt der Ball über die Bande gibt es einen halben Punkt für die Mannschaft des Gegners. Wird gepunktet, wechseln die Mannschaften die Spielfeldseite. Ihre Quartierstandarte, welche während des Spiels im Zelt an der Stirnseite des Feldes aufbewahrt wird, nehmen sie beim Platzwechsel mit in das Zelt auf der anderen Seite des Spielfeldes.
Es stehen sich auf dem Spielfeld je 27 Spieler gegenüber. Die anfängliche Massierung von Spielern lässt kaum einen Spielzug mit Ball zu. Anfangs des Spiels geht es daher in erster Linie darum, die Anzahl der gegnerischen Spieler zu reduzieren. Etwa, indem diese zu Fouls verleitet werden, die ihren Ausschluss zur Folge haben oder indem ihnen Verletzungen zugefügt werden, die ihr Weiterspielen verunmöglichen. So darf denn auch jeder Spieler jeden Gegner jederzeit körperlich angreifen. Dabei sind sowohl Schläge als auch Tritte und ein Niederringen des Gegners erlaubt. Lediglich Kopftritte und ein Angreifen von hinten bleiben verboten. Auch darf nur ein Spieler gegen einen anderen kämpfen, Rudelkämpfe werden mit Ausschluss der fehlbaren Spieler bestraft.
Speziell ist, dass sich auf dem Spielfeld neben den Spielern und einer grossen Anzahl von Schiedsrichtern noch eine Menge weiterer Personen aufhalten: Betreuer der Mannschaften, die taktische Anweisungen geben und renitente ausgeschlossene Spieler «abführen» sowie Sanitäter, die während des laufenden Spiels Spieler medizinisch «erstversorgen» und in schlimmeren Fällen, die Verletzen abtransportieren.
Umrandet werden die Spiele durch den Aufmarsch von Tamburen und Trompetern, der florentinischen Fahnenschwinger – den Bandierai degli Uffizi – fast unzähliger Orden aus der Medici-Zeit sowie Offizieller in ihren historischen Gewändern.
Wir sehen das Spiel der «Blauen» gegen die «Weissen». Die Fans der beiden Teams versammeln sich vor dem Spiel in den Gassen von Florenz und sind dann während des Spiels lautstark präsent. Die Liebe zum Quartier wird mit entsprechendem Emblem gar auf dem Körper eintätowiert. Zur grossen Enttäuschung der «Blauen» gewinnt «Weiss» am Schluss mit 3:2 Punkten. Im Final vom kommenden Wochenende werden die Weissen von «Santo Spirito» auf die Roten von «Santa Maria Novella» treffen … und die Geschichte des florentinischen Kulturerbes wird weiter geschrieben 😊