Italien, wohin des Weges? Aktuelles, das zu denken gibt

… Die notorisch neofaschistische Fangruppe, die sich selber als die «Irriducibili» (die Unbeugsamen und Unverbesserlichen) bezeichnet, entrollten ein Banner mit den Worten «onore a Benito Mussolini» und skandierten faschistische Parolen (vgl. Video unten). Als Ort für ihre Provokation wählten die «Irriducibili» bewusst die historisch belastete Piazza Loreta in Mailand. Unter Mussolini’s Regime wurden hingerichtete politische Gefangene an diesem Ort öffentlich zur Schau gestellt. Dem Duce selber widerfuhr hier – nach seiner Erschiessung durch Partisanen – dasselbe Schicksal.

 

Den «Irriducibili» wird die Nähe zu einer Gruppierung nachgesagt, die in den letzten Tagen ebenfalls von sich hören machte: «Casapound». Diese versteht sich als rechtsextrem, neofaschistische Bewegung und Partei. Ihr Hauptquartier befindet sich in einem von ihnen besetzten Gebäude in Rom. Der Name der Gruppierung nimmt Bezug auf Ezra Pound, dem aus den USA stammenden und lange Zeit in Italien lebenden, anti-semitischen, rassistischen Schriftsteller, der bis zu seinem Tod, 1972, ein glühender Verehrer von Mussolini blieb.

 

Casapound ist heute über lokale Sektionen in ganz Italien aktiv. In Abgrenzung zur etablierten Rechten bezeichnet man sich als Faschisten des 3. Jahrtausend - ausländerfeindlich, national-sozial und non-konformistisch rechts. Die Gruppierung sitzt bereits in einigen kommunalen Exekutiven und Legislativen, macht aber auch immer wieder durch äusserst aggressives Verhalten auf sich aufmerksam. So auch kürzlich wieder.

 

In den letzten Tagen versuchte Casapound mit einem Grossaufgebot schreiender und prügelnder Unterstützer zu verhindern, dass eine Familie mit Roma & Sinti Hintergrund in Rom eine ihr von der Stadt zugewiesene Sozialwohnung beziehen konnte. Ein massives Polizeiaufgebot war nötig, damit die Familie (darunter Kleinkinder) ihr neues Zuhause beziehen und dort verbleiben konnte. Vom Casapound-Pöbel wurden begleitend Parolen skandiert, wie «wir hängen euch auf» und den weiblichen Mitgliedern der Familie wurde lautstark angedroht, dass sie bei erster Gelegenheit vergewaltigt würden.

 

Besondere Brisanz erhielt die letzte Androhung dadurch, dass nur wenige Tage zuvor zwei Mitglieder von Casapound (einer davon Mitglied einer kommunalen Exekutive) in Viterbo, nördlich von Rom, festgenommen wurden. Sie hatten eine Frau in brutalster Weise geschändet und vergewaltigt und sich bei ihrer Gewaltorgie auch noch selber gefilmt.

 

Es ist anzunehmen, dass weder die Lazio-Ultras noch Casapound in nächster Zukunft grossen Zuspruch und Zulauf erhalten werden. Als Gruppierungen sind sie nach wie vor Randerscheinungen und werden – zum Glück – vom allergrössten Teil der Italienerinnen und Italiener als zu abstossend und auch als zu abstrus empfunden. Hier liegt nicht das Hauptproblem.

 

Weitaus gefährlicher ist das Doppelspiel, das am rechten Rand der «etablierten» Politik und nota bene von der Partei «Lega» unter Matteo Salvini betrieben wird. Mal spielt man Brandstifter und Brandbeschleuniger, giesst Öl in’s Feuer, etwa durch konstante Stimmungsmache gegen Roma & Sinti (bis hin zur Forderung, dass alle Mitglieder dieser Ethnie sich in ein staatliches Register einzutragen hätten), dann wieder distanziert man sich ein wenig, etwa, wenn der Irriducibili- oder Casapound-Mob sich allzu pöbelhaft verhält, nur um dann wieder zu signalisieren, dass man ihrem Gedankengut doch nahe steht.

 

Bezeichnend in diesem Zusammenhang ein weiteres Ereignis in den letzten Tagen: Die Herausgabe eines neuen Buches über Matteo Salvini («Io sono Matteo Salvini – intervista allo specchio»). Darin legt der Vorsitzende der Lega in Interviewform sein politisches Credo dar. Ganz abgesehen von inhaltlichen Aspekten, ist höchst aufschlussreich, dass Salvini dieses Buch im Altaforte-Verlag, dem faktischen Haus-Verlag von Casapound, erscheinen lässt. Salvini’s Buch steht damit direkt neben anderen neueren Titel dieses Verlages, wie etwa: «La doctrina del fascismo» von Benito Mussolini und Giovanni Gentile oder «Il cinema tedesco del Terzo Reich - Da Weimar ai anni di Goebbels» oder auch «Ezra Pound e la musica».

 

Matteo Salvini, so bekommt man stark den Eindruck, arbeitet langsam aber kontinuierlich an der «Salonfähigkeit» von Konzepten und Ideen, die durch die Irriducibili, Casapound und andere ähnliche Randgruppierungen nicht vermittelbar sind – menschenverachtende gesellschaftliche Vorstellungen, die man eigentlich als überholt und nicht mehr mehrheitsfähig erachtete. Mit seiner «liebe Onkel»-Art gelingt ihm dies überdies sehr erfolgreich – würden heute in Italien Wahlen abgehalten, wäre die Lega wohl Siegerin.

 

Man sieht es ihrer Patina an. Unsere kleine Statue im Garten hat schon einiges erlebt. Dieser Tage, so erhält man das Gefühl, macht sie allerdings einen besonders nachdenklichen Eindruck. Auch sie fragt sich wohl: Italia, dove vai?